Bürgerinitiative gegen Windenergieanlagen im Naturpark Arnsberger Wald

Hintergrundinfos zum Schwarzstorch-Hotspot im Arnsberger Wald

Verbreitungskarte Schwarzstörche in NRW

Die Bürgerinitiative “Windpark Arnsberger Wald? – Nicht mit uns!” hat in den Tagen nach Veröffentlichung ihrer aktuellen Pressemitteilung “Schwarzstorch-Hotspot im Arnsberger Wald” vom 22. Juli 2020 zahlreiche Rückfragen erhalten. Einige irritierte Bürger, engagierte Naturschützer und auch die Politik interessieren sich für weitergehende Hintergrundinformationen, die auch in der Presse bisher kein Thema waren. Hier finden Sie eine Aufstellung solcher Fakten:

Der Schwarzstorch zählt zu den seltenen, in Europa gefährdeten Arten, die internationalen Schutz genießen. Auch NRW, das mit 100 – 120 Brutpaaren (BP) nach Bayern bundesweit die höchste Population dieser Art aufweist (2015) und entsprechende Verantwortung trägt, hatte die fünf wichtigsten Gebiete dieser Art zu identifizieren, abzugrenzen und in den relevanten Jahren vor 2009 zwingend als Vogelschutzgebiet (VSG) umzusetzen. Dies ist leider nicht geschehen.

Die sehr heimlich und zurückgezogene Art gilt als schwer erfassbar. Sie zeigt ein Terriorialverhalten, jedes Brutpaar hat gewaltigen Raumbedarf, geeignete Lebensräume werden flächenhaft besiedelt. Mangels ausreichender behördlicher Datenlage konnten für diese Art vom LANUV bislang nicht die fünf wichtigsten Gebiete (TOP 5) in NRW identifiziert, abgegrenzt und als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden, so wie es das EU-Recht vorsieht. Die Naturschutzverbände verzichteten ebenfalls vorläufig auf die Benennung der Referenzgebiete, der sogenannten “Important Bird Areas” (IBA). Auch sie räumten 2002 unvollständige Verbreitungskenntnisse ein, die sie jedoch durch systematische Bestands- und Verbreitungsanalysen in den kommenden Jahren beheben wollten.

Statt die gebotenen VSG auszuweisen, hat das Land NRW eine andere Lösung gefunden; in sich selbst erstellten Kriterien erteilte es sich eine Ausnahme: Für annähernd gleichmäßig in bestimmten Regionen vorkommende Arten werden schlichtweg keine [!] TOP-5-Schutzgebiete gemeldet. Diese Vorgehensweise entspricht zwar in keiner Weise dem Selbstverständnis der EU-Vogelschutzrichtlinie (V-RL), die EU-Kommission bemängelte dies bisher jedoch nicht, zumal ihr aufgrund ebenfalls fehlender IBA-Referenzgebiete auch keine Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung standen. Ein gleichwertiger Schutz aufgrund anderer Regelungen ist auch nicht erkennbar. Im Gegenteil: Das Regierungspräsidium bewirbt derzeit u.a. auch den Arnsberger Wald mit einem vermeintlichen Windenergiepotenzial von 89,3 – 100% und macht Druck auf die Genehmigungsbehörden, auch dort “die neue zusätzliche Bedeutung und das neue größere Gewicht der Erneuerbaren Energien bei Abwägungsprozessen und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen.” Zudem argumentieren die Naturschutzbehörden mit einer Verwaltungsvorschrift, die die Ausweisung von VSG im Einvernehmen mit der EU-Kommission für abgeschlossen erklärt.

Der effizienter arbeitende private Naturschutz konnte für die Jahre 2005-2009 jedoch sehr wohl sich deutlich abzeichnende Dichte-Cluster mit Populationen von vier und mehr BP pro 100 km² ermitteln (TK 25-Flächen). Von deutschlandweit lediglich 19 Flächen dieser Kategorie bildete der Arnsberger Wald mit den vier zusammenhängenden Clustern (TK25 4514 bis 4517 mit 5-4-4-5 BP) in markanter Weise sogar eines der größten Dichtezentren dieser Art Deutschlands, das auch den NRW-Kriterienkatalog für die Auswahl von VSG nachweislich eindeutig erfüllte [GEDEON, K. et al (2014): Atlas deutscher Brutvogelarten, S. 181; Erste-Hand-Angaben zuständiger lokaler Horstbetreuer].

In der Regionalplanung 2014 wurde unter Verwendung der defizitären Daten u.a. versucht, mehrere Windenergievorrangzonen im konfliktträchtigen Arnsberger Wald auszuweisen, die zwar nie rechtskräftig umgesetzt wurden, nunmehr jedoch zur Beantragung eines MegaWindparks am Rennweg geführt haben. Während die Gutachter der Investoren bei der Suche nach Schwarzstorchnestern im Umfeld der Planung erfolglos blieben, fand der private Naturschutz hingegen nachweislich sogar mehrere Nester, Revierzentren und Horstbäume, von denen drei mittlerweile auf dubiose Weise verschwanden.

Auf Anfrage der Naturschutzbehörden (uNB, hNB) Ende 2017 nannte das LANUV ihnen für den gesamten Arnsberger Wald eine Population von lediglich 4-5 Brutpaaren, während der private Naturschutz eine beachtliche Population von 14-16 BP für diesen Naturraum zwischen Ruhr und Möhne, im Osten bis zur Alme, ermittelte. Ob diese, später als Bürofehler begründete Falschmeldung gegenüber den informationsabhängigen Behörden korrigiert wurde, ist nicht bekannt.

Nachdem der Fachbereichsleiter Artenschutz im LANUV bereits 2018 mit Bedauern Defizite bei den Schwerpunktvorkommen windkraftsensibler Arten einräumte, äußerte sich nun auch das Umweltministerium zu diesen dubiosen Fällen von behördlichen Kontrollverlusten. Ende Mai d.J. räumte die Umweltministerin, Frau Heinen-Esser persönlich ein, dass dem LANUV keine neueren Daten zu Bestand und Verbreitung des Schwarzstorches vorlägen. Vor dem Hintergrund der Datenlage würde das LANUV jedoch in den kommenden Jahren [!] im Rahmen des landesweiten Monitorings für einige große Waldgebiete in NRW die aktuelle Bestandssituation vor Ort erfassen [Schreiben vom 26.5.2020, AZ III-4 – 616.07.01.00].

NRW zählt mit lediglich 4,8% seiner Landesfläche an ausgewiesenen VSG-Flächen im EU-Vergleich (12,5%) zu den Schlusslichtern. Während die EU-Kommission als Richtwert etwa 60% der Brutbestände bedrohter Anhang-I-Arten vorgibt und bei weniger als 20% solche Arten als nicht ausreichend geschützt ansieht, leben in NRW von 100-120 Schwarzstorch-Brutpaaren (2015) nur 10-12 BP und somit lediglich 10% in den VSG des Landes. Diese Gebiete wurden jedoch originär für andere wertgebende Arten ermittelt, so dass die Schwarzstörche darin lediglich als “Beifang” angesehen werden können.

Offenkundig stellt der Arnsberger Wald ein faktisches VSG dar, das seit langem in signifikanter Weise zur Arterhaltung nicht nur in NRW, sondern sogar in ganz Deutschland beiträgt und somit zweifelsfrei zum Kreis der i.S. des Art. 4 der V-RL geeignetsten Gebiete gehört. Ebenso offensichtlich hat in NRW für den Schwarzstorch keine ausreichende Ausweisung von VSG stattgefunden. Insbesondere der gesamte Landschaftsraum Arnsberger Wald hätte dazu gehört. Hier findet er auch alle Voraussetzungen, die er als Gesamtlebensraum benötigt. Leider hört man als Argument oft, der “Arnsberger Wald” sei ja bereits ein geschütztes FFH-Gebiet. Da es sich hierbei jedoch um das nur rund 80 km² kleine, namensgleiche, am westlichen Rand liegende FFH-Gebiet “Arnsberger Wald” mit etwa 3  Schwarzstorchpaaren handelt, läßt sich unschwer erkennen, mit welchen zweifelhaften Methoden hier gearbeitet wird.

Zweifelhaft ist auch die nicht erfolgte Umsetzung einer Regionalplanvorgabe aus dem Jahr 2012. Ihr zufolge sind zahlreiche Bachtäler im Arnsberger Wald als Naturschutzgebiet umzusetzen, um die Lebensräume schutzbedürftiger Arten zu fördern. Dass der Schwarzstorch, der als Leitart für naturnahe Fließgewässersysteme gilt, hier eine maßgebliche Rolle spielt, ist offensichtlich.

Fazit: Es ist nicht nur völlig absurd, sondern auch völlig paradox, in ausgeprägten schützenswerten Dichtezentren seltener, windkraftgefährdeter Arten ausgerechnet Windkraftzonen zu forcieren. Bezirksregierung und Kreisbehörde sind hier umgekehrt in der Pflicht, unmißverständlich klarzustellen, dass sie in dem offensichtlichen faktischen Vogelschutzgebiet auf Dauer keine Aufweichung des
bestehenden Bauverbots in Aussicht stellen werden und somit dieser Landschaftsraum in keiner Weise für die Windenergie zur Disposition steht.

Im wahrsten Sinne des Wortes als “windig” durchschauen lässt sich die augenscheinlich forcierte und geduldete behördliche Taktik, mittels Erfassungs- und Ausweisungsdefiziten der Windenergie im Arnsberger Wald die Türen zu öffnen und die Klärung der Bestandssituation schlichtweg auszusitzen.

 

Verbreitungskarte Schwarzstörche (Arnsberger Wald rot eingekreist)