Bürgerinitiative gegen Windenergieanlagen im Naturpark Arnsberger Wald

Eignen sich behördlich vernachlässigte Naturräume in herausragender Weise für die Windenergie?

Der nordrhein-westfälische Landtag hat letzte Woche die Abschaffung des pauschalen 1000-Meter-Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Wohnsiedlungen beschlossen. Der Landesentwicklungsplan (LEP) sieht zudem „restriktionsarme Kernpotenzialflächen“ für die Windenergie vor, auch „Windkraft-Beschleunigungsgebiete“ genannt. Für die Kreise Soest und HSK plant die schwarz-grüne Landesregierung bekanntlich zwei solcher großflächiger Gebiete im Naturpark Arnsberger Wald: in Warstein am Rennweg und in Möhnesee südwestlich des Hevebeckens. Bereits nach Inkrafttreten des LEP (vermutlich im nächsten Frühjahr) sollen diese Flächen für den Windenergieausbau genutzt werden können. Die NRW-Fraktionen von CDU und GRÜNEN gaben hierzu u.a. folgende Statements ab: „Hierbei handelt es sich um Flächen, die für den Windenergiezubau in herausragender Weise geeignet sind und daher voraussichtlich Eingang in die Regionalpläne finden werden.“ und „Der Ausbau kann jedoch nur erfolgreich vonstatten gehen, wenn die Akzeptanz für diesen bei den Menschen im gesamten Land erhalten bleibt und weiter steigt.“

Diese Bewertung hat die Mitglieder unserer BI sehr verwundert und sie veranlasst, eine Pressemitteilung herauszugeben und den Bürgern Hintergrundinformationen bereitzustellen.

Veröffentlichung im Soester Anzeiger vom 2. September 2023

Seit elfeinhalb Jahren sind im Bereich dieser „restriktionsarmen Kernpotenzialflächen“ die dichtgelegenen Bachtäler als Naturschutzgebiet auszuweisen, um landschaftsraumtypische Arten zu schützen, ihre Lebensräume zu entwickeln und einen Gewässerbiotopverbund zu erstellen. Laut behördenverbindlichem Windenergieerlass sind bei Naturschutzgebieten 300 Meter Abstand zu Windenergieanlagen (Pufferzone) „naturschutzfachlich begründet“, wenn sie dem Schutz „windenergieempfindlicher europäischer Vogelarten“ wie dem Schwarzstorch dienen. Dieser stellt hier eine maßgebliche Art dar und ist an solche Bächtaler gebunden.

Wo jedoch noch keine Naturschutzgebiete ausgewiesen sind, können solche sensiblen Flächen folglich bei der rechnergestützen Ermittlung von Windkraftpotenzialflächen auch nicht ausgenommen werden. Entsprechend wurden hierbei weder die besagten Bachtäler im Arnsberger Wald noch Pufferzonen um diese herum berücksichtigt, egal ob sie 300 Meter umfassen oder nur 75 Meter. Letztgenannten Abstand hat das Landesumweltamt LANUV bei ihrer landesweiten Potenzialanalyse in anderen Fällen angesetzt. Dies sind wesentliche Hintergründe für die Entstehung der beiden vermeintlich „restriktionsarmen Kernpotenzialflächen“ im Arnsberger Wald.

Wir von der BI finden, es bedarf schon einer gehörigen Portion an Chuzpe zu behaupten, diese jahrelang behördlich vernachlässigten Flächen in einem der größten zusammenhängenden Biotopverbunde des Landes seien in „herausragender Weise“ für den Windenergieausbau geeignet!

Der Kreis Soest hat vor Kurzem eine Karte mit den Warsteiner Bachtal-Naturschutzgebieten (NSG) erstellt, welche bereits existieren oder einmal entstehen sollen (in der Karte rot dargestellt). In diese Karte hat sie auch eine 75-Meter Pufferzone (rosa) gekennzeichnet, die das LANUV in vergleichbaren Gebieten berücksichtigt hat, nicht jedoch bei den neuen Bachtal-NSG im Arnsberger Wald! Die BI hat diese Karte um die bereits genehmigten Windenergieanlagen ergänzt (blaue Punkte). Auch wenn die behördliche Erfassung gesetzlich geschützter Biotope noch große Lücken aufweist, erwartet die BI, dass Ende dieses Jahres oder 2024 endlich eine Ausweisung der Bachtäler als Naturschutzgebiet erfolgt. Es ist jedoch auch zu erwarten, dass in etwa zeitgleich der LEP mit den Wind-Beschleunigungsgebieten rechtskräftig wird wie auch ein neuer Windenergieerlass mit möglicherweise geringeren Abstandsvorgaben.

vorhandene und geplante Naturschutzgebiete (rot) mit 75 Meter Pufferzonen (rosa); Ausschnitt einer Karte des Kreises Soest, genehmigte Windenergieanlagen (blau) ergänzt durch die BI

Wie in der Karte zu sehen ist, wurden im März elf Windenergieanlagen mit jeweils weniger als 300 Meter Abstand von zukünftigen Naturschutzgebieten genehmigt. Weitere werden folgen, wenn dann zwar die Naturschutzgebiete ausgewiesen worden sind, jedoch mit reduzierten Pufferzonen. Was in der Karte natürlich nicht zu sehen ist, sind die Quellbereiche und Seitenarme der Bäche sowie einige Quellmoore, die noch gar nicht erfasst wurden. Eine „bodengebundene Kartierung“ stufte das LANUV 2021 als „nicht unmittelbar dringlich“ ein.

Mit diesen Sachinformationen möchte die BI dazu beitragen, das notwendige Hintergrundwissen kritischer Leser bei dem sonst emotional geführten Thema zu erweitern. Hubert Struchholz, Vorsitzender der BI empfiehlt: „Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung, ob die beiden Beschleunigungsflächen im Naturraum Arnsberger Wald sich ‘in herausragender Weise’ für den Windenergieausbau eignen! Beurteilen Sie selbst, inwiefern derartiges Anpreisen jahrelang behördlich vernachlässigter Naturflächen für den Windenergieausbau dessen Akzeptanz ‘bei den Menschen im ganzen Land’ stärkt! Fragen Sie sich, inwieweit den zuständigen Institutionen bei einem derart raffinierten Timing noch Vertrauen entgegengebracht werden kann!“