Bürgerinitiative gegen Windenergieanlagen im Naturpark Arnsberger Wald

Gerechte Rechtsbeugung bei der Ausweisung der Windflächen?

Den Werbesprüchen der Landespolitik zufolge soll eine „gerechte Verteilung der Windflächen auf die sechs Planungsregionen des Landes“ durchgeführt werden. Theoretisch eine gut klingende Angelegenheit. Ein näherer Blick in die Praxis offenbart jedoch einen widerlichen politischen Sumpf, während die behördliche Erfassung von Sümpfen und Mooren im Arnsberger Wald zu wünschen übrig lässt. Wer Erzählungen glaubt, beim Ausbau der Windenergie ginge alles mit rechten Dingen zu, muss schon sehr blauäugig sein!

So erschien dieser Text als Leserbrief am 8. November 2023 im Soester Anzeiger

Zur Ermittlung der Windkraftpotenzialflächen wurden im Oktober 2022 aus der Landeskulisse „besonders streng geschützte Flächen“ ausgeschlossen, darunter (zumindest laut Vorgabe) festgesetzte, ausgewiesene und einstweilig sichergestellte Naturschutzgebiete inkl. eines Abstandsbereichs von 75 m. In der Region SO / HSK wurden dann aus den vielen, am Ende verbliebenen Windpotenzialflächen die größten zusammenhängenden Gebiete ermittelt, bis zu maximal 15% der Gemeindefläche. Das Ergebnis sind zwei riesige Windkraft-Beschleunigungsgebiete am Rennweg und südlich des Möhnesees, die in Karten des Landesentwicklungsplans (LEP) abgebildet sind. Bei den elf Rennweg-Anlagen wird es daher nicht bleiben, von einer Verdoppelung der Zahl dort ist auszugehen.

Von wegen „gerechte Windgebietsermittlung“: im Gegensatz zu den meisten Gebieten in NRW ist im Warsteiner Wald die zentrale Naturschutzplanung noch nicht abgeschlossen, in Möhnesee hat sie noch gar nicht begonnen. Fest steht jedoch bereits seit 2012, dass alle naturschutzwürdigen Waldbäche dort als Naturschutzgebiet auszuweisen sind und dort und auch in ihrer Umgebung dem Arten- und Biotopschutz Vorrang einzuräumen ist. Als wenn zehn Jahre amtlichen Aussitzens nicht genug Anlass für Empörung böten, setzt die untere Naturschutzbehörde (uNB) Soest hier noch einen drauf. Durch „geschicktes“ Timing wartete sie im Oktober 2022 ausgerechnet noch so lange, bis die Landesbehörden die Geodaten zur Ermittlung der Windgebiete abgezogen hatten. Erst danach, wenige Tage später, erfolgte eine einstweilige Sicherstellung der neuen Naturschutzgebiete, so dass diese folglich bei der Ermittlung der Windenergiegebiete unberücksichtigt blieben. Und selbst diese Statusmeldung kriegt die uNB nicht auf die Kette!

In der Öffentlichkeitsbeteilung zum LEP im Juli 2023 wies die uNB Soest dann das Wirtschaftsministerium beiläufig darauf hin, dass im Zuge der Landschaftsplanung ja die Waldbäche einstweilig sichergestellt worden seien. Sie wollte dem Ministerium zu denken geben, dass sich „im Hinblick auf die bereits genehmigten elf WEA“ die „Anbindung schon jetzt als Herausforderung“ darstelle. Auf meine Anfrage hin teilte das Wirtschaftsministerium mir mit, dass es diese informelle Meldung der uNB nicht akzeptiere; der Kreis Soest sei verpflichtet, Naturschutzgebiete an das Landesumweltamt (LANUV) zu melden. Wie das LANUV Ende August 2023 mitteilte, waren die entsprechenden GEO-Daten samt ihrer Status jedoch auch 10 Monate nach der einstweiligen Sicherstellung noch nicht in die entsprechende Datenbank eingespielt worden! Das Wirtschaftsministerium sieht daher seine Planung als fehlerfrei an und schreibt dazu: „In der Beschleunigungsfläche im Arnsberger Wald sind bereits elf Anlagen genehmigt, daher sehen wir als Landesplanung die Eignung des Gebiets als bestätigt an.“

Das dichte Fließgewässersystem ist eines der naturschutzfachlichen Kernflächen des hier betroffenen Naturraums Arnsberger Wald. Wenn man für die neuen Bach-Naturschutzgebiete übliche 40 Meter als Mindestbreite ansetzt, zuzüglich der beidseitigen 75 Meter Abstandsbereiche, kommt man bereits auf eine Tabuzone von 190 Metern Breite. Aufgrund der dicht beieinanderliegenden Bachtäler und der stark verästelten Bachläufe machen solche planmäßigen, aber hier nicht berücksichtigten Tabuzonen rund 40 Prozent der Waldbereiche aus. Es ist daher äußerst fraglich, ob bei einer Berücksichtigung der neuen Schutzgebiete das Rennweggebiet als eines der „größten zusammenhängenden Potenzialgebiete“ der beiden Kreise herausgekommen wäre oder nicht völlig andere, weniger konfliktträchtige Gebiete. Den Landtagsfraktionen von CDU und GRÜNEN scheint das egal zu sein. Sie sprechen in desinformierender Schlagwort-Propaganda von „restriktionsarmen Kernpotenzialflächen“, „die für den Windenergiezubau in herausragender Weise geeignet sind“.

Auch die uNB ist sich keiner Schuld bewusst, durch ihre ureigene Trägheit und defizitäre Meldeverpflichtungen die falschen Beschleunigungsgebiete verursacht zu haben. Sie beharrt darauf, sowohl dem LANUV als auch dem Wirtschaftsministerium die Geo-Daten gemeldet zu haben, sogar „in persönlichen Gesprächen“, wie sie mitteilte.

Der hehre Versuch, die Windflächen nach gerechten Aspekten auf das Land zu verteilen, wird also nicht zuletzt an Desorganisation, Ignoranz, Arroganz, Trägheit und mangelnder Effizienz in unseren freundlichen Amtsstuben scheitern und dazu noch unsere letzten, relativ intakten Lebensräume zerstören! Wer mit derartiger Rechtsbeugung und der Anwendung politischer Taschenspielertricks die zahlenden Staatsbürger für dumm verkaufen will und Investoren in die Karten spielt, darf sich nicht wundern, wenn dadurch das angeschlagene Vertrauen in die staatlichen Institutionen vollends schwindet und immer mehr Menschen sich populistischen oder extremen Parteien zuwenden oder zur Gewalt neigen! Ein Einzelfall ist diese spezielle Art „gerechter“ Rechtsbeugung nachweislich nicht. Sie wird bei der Regionalplanung mit der manipulativen Verwendung lückenhafter, veralteter Daten ihre Fortsetzung finden, z.B. bei den Schwerpunktvorkommen windenergieempfindlicher Vogelarten.